
DC Tower 3, Wien © Kurt Hoerbst
Von der sozialen Verantwortung und warum wir Kommunikationsorte brauchen
Haben wir als Architekturschaffende eigentlich eine soziale Verantwortung? Und nehmen wir sie wahr? Wenn wir uns mit einer Bauaufgabe beschäftigen, sind wir zunächst mit dem "Wie?“ konfrontiert: Wie schaffe ich es, eine gewisse Anzahl von Menschen in einem vorgegebenen Raum unterzubringen? Bei dieser Frage handeln wir weder ethisch noch kommen wir einer gesellschaftlichen Verantwortung nach. Erst bei den Fragen "Für wen?“ "Was können wir verändern?“ nehmen wir die Perspektive der Nutzer:innen ein und denken über moralische Prinzipien nach.

Architektur braucht Mehrwert
Woher kommen gesellschaftliche Missstände? Können wir einen Beitrag leisten, sie zu beheben? Welchen Beitrag leistet ein Haus für die Nutzer:innen für die Zukunft? In unseren internen Forschungslaboren setzen wir uns mit solchen und ähnlichen Fragen auseinander. Um die Ergebnisse daraus in die Praxis einbringen zu können, brauchen wir auf allen Ebenen Partner:innen, die uns dabei unterstützen. Dabei müssen wir sie laufend vom sozialen Mehrwert unserer Architektur überzeugen und ein Bewusstsein für diese Dimension des Bauens schaffen.
Und wie schaut ein Lebensraum mit Mehrwert aus?
Aus unserer Sicht sind Kommunikationsorte für den Lebensraum entscheidend. Ein Beispiel ist der städtische Raum “In der Wiesen Süd” in Wien – ein lebhaftes Wohnquartier, das die Nachbarschaft über das ganze Areal vernetzt. Dank vielfältiger Nutzungen in den Erdgeschosszonen sind hier soziale Begegnungsräume entstanden. E
in ähnliches Konzept haben wir im Quartier Metzgergrün, Freiburg integriert. Hier war die Anknüpfung an das Viertel und an den Quartiersplatz von hoher Bedeutung. Großzügige Laubengang-Erschließungen schaffen Raum für nachbarschaftliche Begegnungen und stärken die Hausgemeinschaft.
Kommunikativer Innenhof, belebte Erdgeschosse
Beim Projekt Erlenstraße in Lochau überdacht die gemeinsame Erschließungsspange den Innenhof, der wie ein Dorfplatz das kommunikative Zentrum für die Bewohner:innen bildet. Ein weiteres Beispiel ist das zweiteilige Wohn- und Geschäftshaus Qulumbus in Klaus, wo uns eine behutsame Nachverdichtung mitten im Ortszentrum gelungen ist.
Der straßenseitige dreigeschossige, kristalline Kubus beherbergt im Erdgeschoss Gewerbeflächen. In einem Ortskern mit wenig Infrastruktur im öffentlichen Raum war uns eine aktive Nutzung der Erdgeschosse besonders wichtig. Die durchlässige Anordnung der beiden Baukörper schafft eine optimale Verteilung von Raum, Licht und Sonne, von Privatheit und Gemeinschaft. Diese Bauten beweisen, dass beim verdichteten Wohnen nicht unbedingt Stadt rauskommen muss. Es kann auch Dorf oder – wie hier – verdichtetes Dorf bleiben.
Text: Anu-Ujin Walser, Februar 2024