Lebensraum für alle

Wenn es ums Wohnen geht, werden die Grundbedürfnisse einer Gesellschaft berührt. Und dazu gehört ein leistbarer und qualitativer Wohnraum genauso wie ein öffentlicher Raum. Es ist somit die Pflicht von uns allen, dafür Sorge zu tragen, dass jeder Mensch – unabhängig von seiner finanziellen Lage – sein Recht auf einen guten Lebensraum bekommt. Dafür braucht es in erster Linie Vielfalt auf unterschiedlichsten Ebenen – am besten durch die staatliche Hand gefördert. Denn die Zeit der reinen Wohnbauten ist vorbei. Wir stricken unsere Stadt in Quartieren. Und wir entwickeln eine Vielfalt an Lebensräumen, in deren Mittelpunkt der Mensch steht.

Wünschenswert wäre,

Räume als Prozesse zu denken

und sie so vorzubereiten,

dass sie wachsen können.

Wir Architekt:innen müssen dafür unsere Aufgabenstellungen stärker hinterfragen und nicht nur bauliche, ökologische und ökonomische Belange einer Bauaufgabe betrachten, sondern auch die politischen, finanziellen, kulturellen und sozialen – das Bauen ganzheitlich denken. Wer sind die Nutzer:innen? Welche Bedürfnisse haben sie? Welche Akteur:innen braucht ein neuer Ort? Was für Auswirkungen haben diese Menschen aufeinander und auf die Umgebung? Welche Finanzierungsmodelle sind möglich – Baugruppen, Privateigentum, privatfinanzierte oder geförderte Miete, Gemeindebau, betreutes Wohnen – diesen Mix muss man als Architekt:innenteam im Kopf haben und einfordern.

Wenn man nur ein paar dieser Fragen beantwortet, liegen schon hunderte verschiedenste Wohnungsgrundrisse dazu auf dem Tisch. Gerade beim Wohnen findet momentan der größte Wandel statt. Patchwork-Familien, Homeoffice, junge Nutzer:innen, für die das Teilen, Tauschen und Partizipieren vor dem Besitz steht, gepaart mit der drängenden Knappheit an Boden und finanziellen Mitteln – all das zwingt uns, einen sehr wandelbaren und offenen Raum zu schaffen. Konstruktiv ist dafür die Rückbaubarkeit aller Bauteile, zumindest bis auf das primäre Tragwerk, die wichtigste Voraussetzung.

Atelierhaus im Kuku 23, Wien © Aldo Amoretti

In flexiblen Baustrukturen denken

Auf einer anderen Ebene werden wir aber auch lernen müssen, unseren Raumbedarf zu reduzieren. Dabei geht es nicht darum, aus den einzelnen Wohn-, Ess- und Schlafzimmern noch kleinere Miniaturen ihrer Funktionen zu basteln. Wir müssen eher in großzügigen Räumen denken, die in der Lage sind, Tagesabläufe multipel und intelligent in sich zu schichten. Nicht die Anzahl der Räume steht im Vordergrund, sondern die Vielzahl an Grundrissvarianten und Szenarien. Wir müssen auch in flexiblen Baustrukturen denken, indem wir gemeinschaftlich genutzte Flächen und vielfältige gewerbliche, edukative und kulturelle Nutzungen unter Privaträume mischen. Dieses Interdisziplinäre werden wir nicht nur für gut funktionierende Erdgeschosszonen benötigen, sondern auch für lebenszyklusfähige Gebäude, die ihre Nutzungen genauso schnell wie ihre Oberflächen und Wandfarben wechseln können.

Wünschenswert wäre, Räume als Prozesse zu denken. Sie so vorzubereiten, dass sie wachsen und die Zwischenzeit im reinen statischen Rohbau, ohne Gebäudehülle, überdauern können. Eine "wachsende Erdgeschosszone" einzuführen, die es erlaubt, noch nicht gebrauchte Flächen leer zu lassen. Aber mit vorbereiteten Anschlüssen im Rohbau, damit später Fenster und Fassaden und Leitungen eingesetzt werden können. Aber erstmal leer, als Außenraum genutzt. Damit die Menschen ein Bedürfnis nach einer im Quartier fehlenden Nutzung entwickeln können, nach Betreiber:innen suchen oder gar selbst gründen. Damit sie die Möglichkeit spüren, ihre Umgebung zu gestalten.

Indem man sich etwas aneignen kann, entsteht ein Zuhause, das weit über die eigenen Wohnungsmauern hinausreicht. Und das bedeutet mitgestalten, verändern, eine Spur hinterlassen. Damit unsere Lebensräume keine fertiggedachten, starren Vorstellungen vergangener Erfahrungen sind, sondern dynamische Organismen, die gleich einem Garten erst mit der Zeit wachsen und sich immer mehr entfalten können.

Text: Maria Megina, überarbeitet Juni 2024

Städte zum Leben

Die Nachhaltigkeit der Stadt betrifft nicht nur Häuser und Straßen, sondern vor allem ihre Bewohner.

Die Karten werden neu gemischt. Die Stadt, wie wir sie kennen, scheint schon wieder ausgedient zu haben. Klima- und Mobilitätswandel, Kostendruck, Digitalisierung und die Wiederentdeckung der Individualität wecken unsere Sehnsucht nach einer Stadt mit mehr Lebensqualität. Wir brauchen nun Mut zur Veränderung, um Investitionen wieder langfristiger zu denken. Der nachhaltige Erfolg einer Entwicklung stellt sich dann ein, wenn auch folgende Generationen davon profitieren.

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Von der sozialen Verantwortung und warum wir Kommunikationsorte brauchen

Haben wir als Architekturschaffende eigentlich eine soziale Verantwortung? Und nehmen wir sie wahr? Wenn wir uns mit einer Bauaufgabe beschäftigen, sind wir zunächst mit dem "Wie?“ konfrontiert: Wie schaffe ich es, eine gewisse Anzahl von Menschen in einem vorgegebenen Raum unterzubringen? Bei dieser Frage handeln wir weder ethisch noch kommen wir einer gesellschaftlichen Verantwortung nach. Erst bei den Fragen "Für wen?“ "Was können wir verändern?“ nehmen wir die Perspektive der Nutzer:innen ein und denken über moralische Prinzipien nach.

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In der Wiesen Süd, Wien (AT)
Neubau, Geförderter Wohnbau

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Kuku 23 Gastgebgasse, Wien (AT)
Neubau, Geförderter Wohnbau

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B.R.I.O. Neues Landgut, Wien (AT)
Neubau, Geförderter Wohnbau, Holzbau, Zirkuläres Bauen

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