
© Florian Spring
Planen für morgen, aber arbeiten wie gestern?
Unsere Auffassung von Architektur ist es, Projekte dynamisch und flexibel zu gestalten. Anstatt uns weiter in uralte Strukturen zu zwängen, denen wir längst entwachsen sind, setzen wir auf agiles Arbeiten im Team. Dieses Trikot sitzt wie angegossen: es lässt uns Luft zum Atmen – vor allem aber den nötigen Freiraum, im Prozess mutig und selbstkritisch kreative Entscheidungen zu treffen.
In unserer integralen Planungswerkstatt sitzen alle Projektbeteiligten an einem Tisch, auch die Auftraggeber:innen. Agiles Projektmanagement ersetzt starre Pläne durch einfache Regeln und Projekt-Sprints. Nun haben wir diese Arbeitsweise noch weiter perfektioniert: Das Team sitzt wirklich während des gesamten Planungsprozesses gemeinsam in einem Raum – dem BIG ROOM.

Sportliche Herangehensweise
Man könnte meinen, wir Architekt:innen seien die geborenen Ausdauersporttreibenden: ein großes Projekt kann sich gerne über Jahre oder Jahrzehnte ziehen, Unvorhergesehenes zum Drehen von Extrarunden führen – da braucht es oft einen langen Atem. Was aber, wenn wir Projektziele nicht von Anfang an detailliert festlegen und anstelle der einen großen Ziellinie viele schnelle Sprints einplanen? Auf diese Weise lassen sich die Ergebnisse laufend messen und evaluieren. Denn ein Splitten des großen Ganzen in kurze Zyklen ermöglicht im Gegensatz zur fest vorgegebenen Marschroute eine kontinuierliche Anpassung an neue Anforderungen oder Bedingungen.
Agile Planung, effektive Zusammenarbeit
"Im Zuge der internen Umstellung auf BIM (Building Information Modeling) haben wir mit 2020 begonnen, unsere Prozesse neu zu denken“, erzählt Lukas Kral, Head of Process Management bei Dietrich Untertrifaller, und ergänzt: "Wir haben erkannt, dass es nicht reicht, einfach das Equipment zu wechseln – wir wollten neue Wege finden, wie wir mit unseren Partner:innen von der Bauherrschaft über die Fachplanenden bis hin zu Behörden und ausführenden Firmen effektiv und zielführend zusammenarbeiten können. Als ein Team, das wie im Sport an einem Strang zieht.“
Als Scrum Master kennt sich Kral mit diesem Konzept der agilen Methode hervorragend aus: "Scrum leitet sich aus dem Rugbysport ab, genauer gesagt aus dem Konzept des Gedränges. Dieses dient der Spielwiederaufnahme, bei der Spieler:innen beider Teams eng zusammenarbeiten, um den Ball zu erobern. Das betont das Prinzip der kollektiven Anstrengung über individuelle Aktionen und findet auch im Scrum-Projektmanagement Anwendung.“
Dem Scrum Master obliegt dabei die Förderung der Kommunikation und Zusammenarbeit im Team, das Beseitigen von Hindernissen sowie die Unterstützung der Kolleg:innen bei der dynamischen Anpassung an Herausforderungen, "ohne vorzuschreiben, wie Aufgaben erledigt werden sollen – ähnlich wie im Rugby, wo die Beteiligten ihre Strategie während des Spiels selbstständig anpassen.“

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Der BIG ROOM als Spielfeld
"Nachdem sich die klassischen Wege und die Projektarbeit nach dem Wasserfallprinzip für uns mehr und mehr als Bremsklötze erwiesen hatten, haben wir uns gemeinsam auf die Suche nach einer agileren, flexibleren Zusammenarbeit an einem Tisch begeben“, erklärt Kral den Weg hin zur Implementierung des BIG ROOMs in die Klaviatur des Prozessmanagements. "Dieses Selbstverständnis einer transparenten und kommunikativen Arbeitsweise hat sich von innen heraus entwickelt. Bei Dietrich Untertrifaller bearbeiten wir alle unsere Projekte – vom Einfamilienhaus über die Sporthalle bis zur Quartiersentwicklung – intern nach diesem Prinzip.“
Konkret bedeutet das ein eigenes Prozessmanagement-Team, das die Spielregeln definiert und nach innovativen Lösungen sucht. "Unsere Aufgabe besteht aber auch darin, Prozesse sichtbar zu machen und potenzielle Probleme von den Beteiligten fernzuhalten – in die Projekte selbst sind wir nur strukturell, weniger inhaltlich involviert.“ Ein nächster großer Schritt zielt darauf ab, diese bereits etablierten und erprobten Prozesse auch auf externe Strukturen anzuwenden. "Das Thema an sich ist nicht neu und wird klassischerweise im Baucontainer während der Bauphase angewendet“, so Kral, "wir haben das Konzept nur auf die Planungsphase übersetzt.“
Als Inspiration zum BIG ROOM diente das an der Uni gängige Prinzip der Arbeit in Projektateliers. Das Angebot wird seitens der Bauherrschaften und Projektpartner:innen – wie beim Kuku 23 in Wien – bisher nicht nur gut angenommen, sondern in Ausschreibungen sogar vermehrt gefordert. Jüngstes Beispiel ist die Planung für Viertel vor Feldkirch, das als Pilotprojekt zu 100 % agil von Dietrich Untertrifaller bearbeitet wird.
Das Team ist das Herz eines jeden Projekts
oder anders gesagt:
ohne ein starkes Team kein erfolgreiches Projekt.
Teamplay statt Schattenboxen
Die Projektmanagerin und Architektin Danijela Müller-Stojanović ist Teil des Prozessmanagement-Teams bei Dietrich Untertrifaller und für die strukturelle Betreuung von Viertel vor Feldkirch zuständig: "Wir bearbeiten und planen das Projekt nun seit einem Jahr vor Ort und bemerken enorme Unterschiede zur klassischen Projektabwicklung. Da wir alle in einem Raum sitzen, können wir ohne großen Aufwand auf kurzem Wege in Abstimmung gehen.“
Das Besondere am BIG ROOM: nicht nur die Architekt:innen, auch die Bauherr:innen, Fachplanenden und Ausführende sitzen in einem physischen Raum vor Ort zusammen. "Dabei muss man natürlich abwägen, wie komplex ein Projekt ist. Grundsätzlich aber steht die integrale Planung bei all unseren Unterfangen im Fokus, wobei wir auf unterschiedliche Projektmanagementmethoden zurückgreifen können.“

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Bei Dietrich Untertrifaller verstehen wir diese Art des interdisziplinären Teamworks auch als Chance, unsere Projektpartner:innen für diese Herangehensweise zu begeistern. Denn auch wenn das integrale und agile Arbeiten für viele Fachplanende noch immer neu ist, so sehen diese vermehrt auch Chancen für ihre eigenen Strukturen, da Werkzeuge wie BIM ohnehin schon gang und gäbe sind. Dennoch arbeiten auch wir stetig an der Optimierung unserer Strukturen und stellen uns Fragen wie: Ist agiles Arbeiten wirklich für jede oder jeden geeignet? Wie lässt sich bei der Arbeit in wechselnden Teams an unterschiedlichen Standorten der Bezug zum bürointernen Team aufrechterhalten? Und: was tun, wenn keiner kommt?
Die Architektin Jacqueline Horn betreut für Dietrich Untertrifaller die Revitalisierung des Europäischen Patentamts in München und hat ihr Büro vom Sitz am Sendlinger Tor in den BIG ROOM direkt im bestehenden Gebäude verlegt: "Der Bauherr hat diese Art der integralen Arbeit im Team dezidiert gefordert und ist auch selbst vor Ort. Ich schätze die flachen Hierarchien und den direkten, unkomplizierten Austausch mit den Fachplaner:innen. Wenn alle mitmachen, kann so ein echtes Team wachsen, in das man sich in Workshops oder bei den Reviews gut einbringen kann. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass alle Beteiligten kontinuierlicher vor Ort wären.“
Wünsche und Bedürfnisse gezielt wahrnehmen
Auch wenn wir uns mit dem Konzept BIG ROOM also noch in einer Findungs- oder Evolutionsphase befinden, in der nicht immer alles nach Plan läuft, so spüren wir damit einhergehend einen gewissen Innovationsgeist, der nach und nach alle Beteiligten packt. Unser großer Vorteil: Wir sind keine Gefangenen unseres Systems, sondern können jederzeit den Spielplan oder die Taktik ändern, aber dabei auch das Ziel im Auge behalten.
Das sieht die Kollegin Danijela Müller-Stojanović ähnlich und sagt auf die Frage, warum sie sich als Bauherrin für eine Beauftragung von Dietrich Untertrifaller entscheiden würde: "Dank unserer integralen Arbeitsweise können wir bei unseren Projekten eine bessere Qualität erzielen, es gibt weniger Änderungsschleifen und wir sind effizienter in der Bearbeitung. Dadurch, dass die Auftraggeber:innen immer greifbar sind, können wir deren Bedürfnisse und Wünsche gezielter wahrnehmen und aus all den Informationen die aktuell relevantesten herausfiltern.“
Auch Lukas Kral sieht einen klaren Trend zur Thematik des BIG ROOMs bzw. Projekte generell anders abzuwickeln, als in der Vergangenheit gewohnt: "Die integrale Arbeitsweise und das physische Zusammenkommen führen gerade in Projekten mit viel Diskussionsbedarf zu einem harmonischeren Gesamtgefüge. Wenn es uns gelingt, unsere integralen Prozesse von innen nach außen zu bringen und wenn wir uns alle gemeinsam einbringen für den Erfolg, dann funktionieren Projekte auf einer ganz anderen Ebene – dann sind wir ein Winning Team.“
Text: Linda Pezzei, November 2024
Mitarbeit: Danijela Müller-Stojanović, Jacqueline Horn, Lukas Kral