© Florian Spring

Bauen mit Regenerativen

Die Bauwirtschaft steht nach wie vor vor großen Herausforderungen: Sie verbraucht gut ein Drittel der globalen Rohstoffe, verursacht ebenso viele CO₂-Emissionen und produziert über 50 % des Abfalls. Regenerative Architektur bietet Lösungen, indem sie erneuerbare Materialien wie Holz und Lehm, Kreislaufwirtschaft und innovative Bauweisen einsetzt. Ziel ist es, Ressourcen zu schonen, Abfälle zu reduzieren und zukunftsfähige Lebenszyklen für Gebäude zu schaffen – ein Schlüssel für ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit.

Rund 40 % des globalen Rohstoffverbrauchs und der CO₂-Emissionen sowie über 50 % der jährlichen Abfallmengen sind dem Bausektor zuzuschreiben. Angesichts dieser Belastungen gewinnt die regenerative Architektur zunehmend an Bedeutung. Im Fokus stehen dabei die Nutzung erneuerbarer Materialien, eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und innovative Bauweisen, um ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu fördern.

Wenn wir bei Dietrich Untertrifaller von Bauen mit Regenerativen sprechen, haben wir Materialien im Sinn, die erneuerbar, lokal verfügbar und ressourcenschonend sind – wie Holz, Lehm oder Bambus. Diese Baustoffe zeichnen sich durch geringe graue Energie, CO₂-Bindung und Wiederverwendbarkeit aus. Ein zentraler Ansatz ist dabei die Kreislaufwirtschaft: Wir planen Gebäude so, dass die Materialien am Ende der Gebäudelebensdauer weiter- oder wiederverwendet werden können. Dies reduziert Abfallmengen erheblich und verlängert die Nutzungszyklen der Materialien. Klingt simpel? Oft fehlen aber noch standardisierte Zertifizierungen für nachhaltige Materialien, was deren Einsatz bislang erschwert.


Lehm, Bambus, Holz – natürliche, lokale
Baustoffe für regenerative Architektur

Innovation und lokale Ressourcen

In unseren Augen bietet regenerative Architektur aber gerade durch die Kombination traditioneller Bauweisen mit modernen Technologien wegweisende Lösungen. Aktuelle Beispiele wie der Einsatz von Lehmziegeln in tropischen Regionen oder Holzbauweisen in urbanen Räumen zeigen, wie sich lokale Ressourcen effektiv nutzen lassen. Innovative Ansätze wie zerstörungsfrei rückbaubare Konstruktionen oder der Einsatz von Myzel-basierenden Baustoffen erweitern das Spektrum nachhaltiger Bauweisen. Diese Ansätze schaffen aber nicht nur ökologischen Mehrwert, sie fördern auch lokale Wirtschaftskreisläufe und kulturelle Identität. Projekte wie die Waldorfschule Wien-Mauer  oder das Lycée Tani Malandi auf Mayotte verdeutlichen, wie regenerative Architektur soziale Verantwortung mit Umweltbewusstsein verbinden kann.

Waldorfschule Wien-Mauer (Österreich)

Bei der Erweiterung der Waldorfschule stand der Erhalt historischer Strukturen, kombiniert mit einem nachhaltigen Neubau aus Holz und Lehm in unserem Fokus. Das verwendete Aushubmaterial für den Lehmputz und natürliche Baustoffe wie Holz und Lehm schaffen ein gesundes Raumklima. Durch den ressourcenschonenden Ansatz wurde das Abrissmaterial minimiert. Herausforderungen wie die Zertifizierung nachhaltiger Materialien wurden durch innovative Lösungen gemeistert – ein in unseren Augen wegweisendes Projekt für zirkuläres und regeneratives Bauen.

Lycée Tani Malandi auf Mayotte (Frankreich)

Im Sinne eines Brückenschlags zwischen Tradition und Moderne setzen wir für Tani Malandi auf lokale Materialien wie Bambus, Lehmziegel und Basalt. Das klimafreundliche Design nutzt passive Kühlung durch Bambusfassaden und Dachüberstände, während die Einbindung der lokalen Bevölkerung Wissenstransfer und kulturellen Erhalt fördert. Die Architektur soll eine inspirierende Lernumgebung schaffen, die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit unterstützt – und könnte damit ein Modellprojekt für regeneratives Bauen in tropischen Regionen werden.

Strategien für nachhaltiges Bauen

Ein solches Verständnis von Bauen erfordert jetzt und in Zukunft innovative Ansätze, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte miteinander verbinden. Drei zentrale Strategien – Erhalt bestehender Strukturen, partizipative Prozesse und Holzbau in urbanen Räumen – bieten aus unserer Sicht vielversprechende Lösungen.

Denn: der Erhalt und die Umnutzung bestehender Gebäude ist eine der nachhaltigsten Baupraktiken. Anstatt Abriss und Neubau zu forcieren, sollten wir vorhandene Ressourcen wie Baumaterialien und Infrastrukturen weiternutzen. Das spart Rohstoffe, reduziert Abfall und bewahrt kulturelles Erbe. Die Einbindung der Gemeinschaft in Bauprojekte schafft Akzeptanz, stärkt die lokale Wertschöpfung und fördert soziale Nachhaltigkeit. Partizipative Ansätze ermöglichen es, lokale Bedürfnisse besser zu adressieren und die Bevölkerung aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

Neben dem Onboarding der Gemeinschaft ist in unseren Augen auch die Weiterbildung von Fachkräften im Bereich nachhaltiges Bauen essenziell, um innovative und zukunftsfähige Bauprojekte zu realisieren. Drei zentrale Themenfelder – interdisziplinäre Zusammenarbeit, Integration der Technologie und Analyse des Lebenszyklus – spielen hierbei eine Schlüsselrolle.


Respekt für traditionelle Techniken bewahrt die kulturelle Identität

Perspektive: Paradigmenwechsel im Bauwesen

Das Bauen mit Regenerativen erfordert die enge Zusammenarbeit von Architekt:innen, Ingenieur:innen, Materialexpert:innen und weiteren Fachleuten. Interdisziplinäre Teams betrachten komplexe Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven und entwickeln innovative Lösungen. So können beispielsweise durch die Kombination von passiven Designprinzipien mit intelligenter Gebäudetechnologie energieeffiziente und ressourcenschonende Gebäude entstehen. Diese Synergie fördert nicht nur technische Innovationen, sondern verbessert auch die Effizienz und Qualität des Bauprozesses.

Intelligente Systeme wie IoT-Sensoren, automatisierte Steuerungen und erneuerbare Energiesysteme können den Energieverbrauch von Gebäuden zusätzlich optimieren. Smarte Plattformen überwachen in Echtzeit Beleuchtung, Heizung und Kühlung und passen diese dynamisch an die Nutzung an. Dies reduziert nicht nur den Energiebedarf, sondern schafft – richtig eingesetzt – auch eine komfortable Umgebung für die Nutzer:innen. Die Kombination solcher Technologien mit erneuerbaren Energien wie Solar oder Geothermie macht Gebäude zu aktiven Teilnehmern der Energiewende.

Wie sich das schwarz auf weiß beziffern lässt? Die Lebenszyklus-Analyse (LCA) bietet einen ganzheitlichen Blick auf die ökologischen Auswirkungen eines Gebäudes – von der Rohstoffgewinnung über die Nutzung bis zu Entsorgung oder Wiederverwertung. Sie hilft, Materialien und Bauweisen zu wählen, die den CO₂-Fußabdruck minimieren und eine Kreislaufwirtschaft fördern. Eine frühzeitige Einbindung der LCA in den Planungsprozess hilft uns dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen, die sowohl kurzfristige als auch langfristige Nachhaltigkeitsziele unterstützen.


Lokale Ressourcen und traditionelle Techniken vereint mit innovativen Ansätzen / Foto: DTFLR, Tani Malandi

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"Drei zentrale Strategien –

der Erhalt bestehender Strukturen,

partizipative Prozesse und der

Holzbau in urbanen Räumen –

bieten vielversprechende Lösungen."

Unsere Vision einer regenerativen Baukultur

Unser Verständnis einer regenerativen Baukultur geht allerdings weit über die Schaffung nachhaltiger Gebäude hinaus – sie verbindet ökologische Verantwortung mit sozialer und kultureller Relevanz. Projekte wie die Waldorfschule Wien-Mauer und das Lycée Tani Malandi auf Mayotte stehen exemplarisch für eine Architektur, die lokale Ressourcen und traditionelle Techniken mit innovativen Ansätzen vereint. Sie zeigen, dass nachhaltiges Bauen nicht nur den ökologischen Fußabdruck reduziert, sondern auch Gemeinschaften stärkt, kulturelle Identität bewahrt und wirtschaftliche Impulse setzt.

Durch den Einsatz regenerativer Materialien wie Lehm und Bambus, die Förderung lokaler Wirtschaftskreisläufe und partizipative Ansätze lässt sich eine Bauweise realisieren, die natürliche Kreisläufe respektiert und soziale Verantwortung übernimmt. Die Verbindung von Tradition und Innovation schafft zukunftsweisende Lösungen, die nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für kommende Generationen gedacht sind. Diese Projekte verkörpern also auch eine Architektur, die tief im lokalen Kontext verwurzelt ist und Nachhaltigkeit als ganzheitlichen Ansatz versteht – ökologisch, sozial und kulturell.

Dominik Philipp und Claire Leroy (Projektleiterin Tani Malandi)
Zusammenfassung: Linda Pezzei, April 2025