© David Matthiessen

Das Holzdach des TUM Campus im Olympiapark München

Mit 22.000 m² Dachfläche und 5.200 m³ verbautem Holz ist der TUM Campus einer der größten Holzbauten Europas. Sein Markenzeichen ist das 150 Meter breite und fast 19 Meter auskragende Dach aus 40 vorgefertigten Hohlkastenträgern.

Der TUM Campus ist seit den Olympischen Spielen 1972 die größte Baumaßnahme im Münchner Olympiapark. Das Gesamtkonzept des Gebäudes und der 20 Hektar großen Sportflächen stammt von den Landschaftsplanern Balliana-Schubert und den Architekten Helmut Dietrich und Much Untertrifaller (MU). Die Tragwerksplanung übernahmen Konrad Merz, Gordian Kley (GK) und Bertram Käppeler (BK) von merz kley Partner.

© David Matthiessen

Licht, Frische und Großzügigkeit

(MU) Die Aufgabenstellung im Architekturwettbewerb für den Ersatzneubau der Hallen des Zentralen Hochschulsports aus 1972 und die nunmehr gewünschte Integration aller Räumlichkeiten der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften in den Campus im Olympiapark war herausfordernd und spannend. Bei voll weiterlaufendem Betrieb sollten auf demselben Bauplatz alle neuen Hallen errichtet und später – nach Abbruch des Bestandes – das noch fehlende Raumprogramm so hinzugefügt werden, dass ein möglichst gut funktionierendes Ganzes mit logischen Zuordnungen auf kurzen Wegen entsteht. Hier fühlten wir uns durch den wenige Jahre vorher realisierten Campus für den Hochschulsport der ETH Zürich auf dem Hönggerberg inhaltlich durchaus gut aufgestellt.

Genauso entscheidend aber war für uns die Frage: wie auf die hochkarätigen Denkmäler des 20. Jahrhunderts im Olympiapark heute reagieren? Nicht nur auf die eleganten, freigeformten Großbauten von Behnisch & Partner mit Frei Otto, sondern auch auf den phantastischen Landschaftspark von Günther Grzimek. Mit höchstem Respekt vor diesem Umfeld, aber auch mit großem Vergnügen haben wir uns dieser verantwortungsvollen Aufgabe gestellt und – wie wir meinen – eine identitätsstiftende und angemessene Lösung für diese besondere Situation entwickelt. Über allem stand jedoch der Anspruch, für die Benutzer einen Ort des Austauschs, der Bewegungs- und Lernfreude, des Wohlfühlens und der Inspiration zu schaffen.

Olympiapark München mit der alten TUM Hochschulsportanlage (links oben)

Über eine Brücke an den Damm von Grzimek angedockt, „schwimmt“ nun ein horizontal gelagerter großflächiger Baukörper wie ein mächtiger Kahn in der 20 Hektar großen Landschaftskammer und „umarmt“ mit dem weit auskragenden Vordach selbstbewusst die ausgedehnten Freisportflächen. Die umlaufend gleichbleibend geringe Traufhöhe unterstützt die selbstverständliche Einbindung in die umgebende Topographie. Alle höheren Volumen überragen diese klare Kante im Binnenraum der Anlage und sorgen neben den vielen Oberlichtöffnungen für eine bewegte, begrünte Dachlandschaft – ein wichtiger Aspekt für die Aufsicht vom Olympiaturm und Teilen des Olympischen Dorfs. Ein enger Dialog zwischen Innen- und Außenräumen ist umlaufend allgegenwärtig.

Zwei wichtige Wegverbindungen durchkreuzen im rechten Winkel zueinander den gesamten Komplex und das gesamte Gelände: Die „Rue Intérieure“ teilt von Ost nach West die beiden Geschosse in jeweils zwei Hälften.

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Die wohl wirtschaftlichste Art der

Tragwerkskonstruktion aus Holz:

Brettschichtholzträger, dazwischen

horizontale Balken aus Vollholz.

Deckenkonstruktion © Dietrich Untertrifaller

Offenheit mit hohem Brandschutz

(GK) Das Dachtragwerk der rund 150 Meter langen „Rue­ Intérieure“ ist nur in Teilen sichtbar, womit hier in Verbindung mit dem klaren Gebäuderaster von 2,50 Metern auf die nahezu wirtschaftlichste Art der Konstruktionsmöglichkeiten von Dachtragwerken im Holzbau zurückgegriffen werden konnte: Brettschichtholzträger im Abstand von fünf Metern, dazwischen eine Pfettenlage aus Konstruktions-Vollholz (KVH).

Die Dachfläche wurde schließlich durch das Aufbringen von OSB-Platten gebildet, die auch die aussteifende Dachscheibe bilden. In Verbindung mit dem von oben aufgebrachten Warmdachaufbau ergab sich eine einfache und überaus robuste Gesamtdachkonstruktion, die auch auf die zuweilen gegebene Notwendigkeit der Montage von Holzkonstruktionen bei mäßigen Witterungsverhältnissen Rücksicht nimmt.

Die „Rue Intérieure“ ist in ihrer Funktion der zentralen Erschließungsachse auch zentrale Rettungsgasse. Damit unterliegt sie umfangreichen Brandschutzvorschriften, die sich für das Tragwerk bis zur Unterkante der Dachkonstruktion in der Anforderung „brandbeständig“ (F90) festmachen. In Verbindung mit den unregelmäßigen Punktstützungen der Geschossdecke und mit den hohen Installationsgraden lag die Lösung zur Konstruktion von Geschossdecke und Innenwänden im konventionellen Stahlbetonbau.

So übrigens auch für­ verschiedene Technikriegel der Sporthallen, die Umfassungswände für den hohen Audimax, die Kellerräume und natürlich sämtliche Gründungsbauteile: schlussendlich trotz des vorherrschenden Holzbaus auch eine Menge Stahlbetonbau mit dem Einsatz von rund 10.000 m³ Beton und 900 Tonnen Betonstahl.

Rue Intérieure © David Matthiessen

Austausch und Kommunikation

(MU) Die obere Ankunftsebene führt an alternierend gegenüberliegenden Hörsälen und Sporthallen mit gegenseitigen Einblicken vorbei. Ein permanenter Austausch zwischen Theorie und Praxis, unterstützt durch die großzügige Dimension der „Rue Intérieure“ als inklusiver Ort der Gemeinschaft für alle Nutzer, hervorragend geeignet für alle Formen der Kommunikation, des Lernens und Entspannens.

An ihrem Ende spannen sich beidseitig Bibliothek und Mensa mit weiten Blicken nach Westen auf die Freianlagen und die dahinterstehende Stadt auf. Die untere Ebene, mit den zentral eingestellten Umkleidetrakten mit konsequent getrennten Schmutz- und Sauberbereichen, verknüpft alle Sporträumlichkeiten miteinander.

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"Die Rue Intérieure läuft als 180 Meter

langer Kommunikationsbereich

vom Eingang bis zur Mensa und der

großen Terrasse."


Much Untertrifaller

Alles unter einem Dach

(BK) Mit Hallen für insgesamt 14 Sportfelder und eine Kletteranlage galt es eine Konstruktion für rund 7000 m² Dachfläche zu entwickeln, die mit weitestgehender Vorfertigung montierbar und vollständig sichtbar bleiben konnte. In Verbindung mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit fand sich das Ergebnis in einer ebenso einfachen wie funktionalen Konstruktion, die zum Dachtragwerk der „Rue Intérieur“ durchaus Parallelen aufweist: zunächst Satteldachbinder mit geradem Untergurt im Gebäuderaster von 2,50 Metern parallel zueinander angeordnet. Orthogonal darüber Dachelemente aus kleinen Pfetten und Akustikplatten (Holzwolle-Leichtbauplatten) mit einer aussteifenden Dachschalung aus OSB-Tafeln.

Eine Besonderheit stellen die Oberlichter dar, die ihr Licht durch konische Aufsätze aus Dreischichtplatten in die Hallen einstreuen. Der nach oben folgende Warmdachaufbau entspricht dem schon erwähnten Dachaufbau der „Rue Intérieur“: unter dem Gründach eine bituminierte Abdichtung auf druckfester Steinwolldämmung und bituminierter Dampfsperre. Die Wände der Hallen wurden als Holzständerwände vorelementiert, wobei die Dachstützen in dieselben integriert werden konnten. Auf diese Weise wurden alle Hallenwände in Großtafeln vorgefertigt, womit die Montage extrem beschleunigt und die witterungskritische Zeit während der Montage minimiert werden konnte.

Der Weg als Raumerlebnis

(MU) Die „Rue Extérieure“ durchläuft das gesamte Areal von der Moosacher Straße im Norden bis zum Mittleren Ring im Süden. Unter dem ausladenden Vordach teilt sie sich, führt einerseits nach oben auf die Terrasse der Mensa und über eine große, als Fahrradparkplatz genutzte, schräge Ebene wieder nach unten, andererseits an den der Laufbahn zugewandten Laboren vorbei, die diesen überdeckten Bereich für sportmedizinische Untersuchungen im Freien nutzen. Außerhalb des Gebäudes dient sie als Haupterschließung der ausgedehnten Freisportanlagen.

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"Beim Vordach war eine

flächige Holzkonstruktion gefragt,

die ohne Unterzüge punktgestützt

auf den schlanken Stützen aufliegt."


Gordian Kley

Im Freien und doch geschützt

(GK) Auf eine Länge von rund 150 Metern kragt das Dach der „Rue Extérieur“ knapp 19 Meter über die Achse der Glasfassade aus. Die Konstruktionshöhe ist dabei minimiert: der umlaufende Dachrand des Gebäudes setzt sich im Vordach fort und lässt nach Abzug der notwendigen Aufkantungen für Dichtung und Verkleidung eine Konstruktionshöhe von nicht mehr als 1,60 Metern zu. In Kombination mit dem Wunsch nach einer flächig sichtbaren Holzuntersicht war eine Holzkonstruktion gefragt, die förmlich als punktgestützte Platte auf den schlanken Stahlstützen der Glasfassade aufliegen konnte und dabei frei von Unterzügen war.

Die Lösung dieser Aufgabe fand sich in der Entwicklung einer Hohlkastenkonstruktion, bei der insgesamt 40 Dachelemente mit Abmessungen von 28 x 3,75 x 1,60 Metern derart ausgebildet wurden, dass sie auf lediglich vier Punkten aufgelegt werden und dabei knapp 19 m auskragen konnten. In die Hohlkästen wurden sämtliche Installationen integriert, wobei die Entwässerungsleitungen hinter den Laibungsbrettern der Oberlichter zugänglich bleiben. Zugänglich bleiben die Hohlkastenelemente auch zur dauerhaften Kontrolle, die über Wartungsöffnungen in der Untersicht erfolgt.

Mit der Verklebung der Platten mit den Rippen wurde ein hochtragfähiger Hohlkastenquerschnitt erzeugt, der für die große Auskragung eine gerade noch ausreichende Steifigkeit aufweist, um die Verformungen an der Vordachkante im akzeptablen Bereich halten zu können. Selbstverständlich wurden die Hohlkästen mit einer Überhöhung hergestellt, die an der Kragarmspitze 20 Zentimeter betrug und die sich nach Entfernung des Montagegerüstes zur Freude der Planer exakt entsprechend deren Berechnungen reduziert hat.

Entscheidend für die Konstruktion solcher Hohlkästen mit integrierten Querträgern ist neben der Rücksicht auf manipulierbare Elementgrößen die Frage der verfügbaren Plattenformate und deren Anordnung im Element. Denn natürlich müssen die Platten in Bereichen der durch den Querträger unterbrochenen Rippen allein die Zug- und Druckkräfte aus dem Stützmoment im Kragdach übernehmen und daher über möglichst weite Strecken durchlaufend sein. Daraus resultiert die Notwendigkeit von großen Plattenlängen, die in diesem Falle bei bis zu 20 Metern lagen.

Die Anschlüsse der Längsrippen an die Querträger erfolgte im Gegensatz zur vorgenannt aufwändigen Verklebung mit mechanischen Verbindungsmitteln (Schrauben und Rillennägel in Verbindung mit Stahlteilen). Mit mechanischen Verbindungsmitteln gelang auch die Übertragung der großen Auflagerkräfte in die Stahlstützen auf kleinen Flächen: über Stahlplatten und lange querdruckverstärkende Vollgewindeschrauben.

© Aldo Amoretti

Einheit von Raum und Konstruktion

(MU + GK) Unsere gemeinsame und langjährige Leidenschaft für den Werkstoff Holz mit seinen hervorragenden technischen und atmosphärischen Eigenschaften auslebend, konzipierten wir – schon im Wettbewerb – einen der größten Holzbauten Europas. Besonders das weit auskragende, mächtige Vordach stand, neben den unterschiedlichen Sporthallen, Sonderräumen und Bürotrakten, im Visier der Entwurfsarbeit.

Durch die schon langjährig bestehende Zusammenarbeit mit vielen realisierten Projekten und dem daraus resultierenden großen gegenseitigen Verständnis und Vertrauen, war es möglich in der kurzen Zeit der Wettbewerbsbearbeitung ein solch ausgereiftes Konzept zu entwickeln.

Text: Much Untertrifaller (MU), Gordian Kley (GK) und Bertram Käppeler (BK)
Erschienen im DETAIL Magazin 05 2023

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TUM School of Medicine and Health, München (DE)
Construction neuve, Protection du patrimoine

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ETH Sport Center, Zürich (CH)
Construction neuve

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Volksschule Unterdorf, Höchst (AT)
Construction neuve

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