Von der sozialen Verantwortung und warum wir Kommunikationsorte brauchen
Haben wir als Architekturschaffende eigentlich eine soziale Verantwortung? Und nehmen wir sie wahr? Wenn wir uns mit einer Bauaufgabe beschäftigen, sind wir zunächst mit dem "Wie?“ konfrontiert: Wie schaffe ich es, eine gewisse Anzahl von Menschen in einem vorgegebenen Raum unterzubringen? Bei dieser Frage handeln wir weder ethisch noch kommen wir einer gesellschaftlichen Verantwortung nach. Erst bei den Fragen "Für wen?“ "Was können wir verändern?“ nehmen wir die Perspektive der Nutzer:innen ein und denken über moralische Prinzipien nach.
Wie kann Architektur einen
Lebensraum mit Mehrwert
schaffen?
Woher kommen gesellschaftliche Missstände? Können wir einen Beitrag leisten, sie zu beheben? Welchen Beitrag leistet ein Haus für die Nutzer:innen, für die Zukunft? In unseren Forschungslaboren setzen wir uns mit solchen und ähnlichen Fragen auseinander: Um die Ergebnisse aus dieser internen Forschung in die Praxis einbringen zu können, brauchen wir auf allen Ebenen Partner:innen, die uns dabei unterstützen. Dabei müssen wir Überzeugungsarbeit leisten und unsere Partner:innen immer wieder vom sozialen Mehrwert unserer Architektur begeistern und ein Bewusstsein für diese Dimension des Bauens schaffen.
Und wie genau schaut ein Lebensraum mit Mehrwert aus? Aus unserer Sicht sind Kommunikationsorte für den Lebensraum entscheidend. Ein Beispiel ist der städtische Raum “In der Wiesen Süd” in Wien – ein lebhaftes Wohnquartier, das die Nachbarschaft über das ganze Areal vernetzt. Dank der hochwertigen und vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten den Erdgeschosszonen sind hier soziale Begegnungsräume entstanden. Ein ähnliches Konzept haben wir im Quartier Metzgergrün, Freiburg integriert. Hier war die Anknüpfung an das Viertel und an den Quartiersplatz von hoher Bedeutung. Die großzügigen Laubengangerschließungen schaffen Raum für Begegnungen und den Ausbau sozialer Strukturen.
Ein weiteres Beispiel ist das Wohn-und Geschäftshaus Qulumbus in Klaus, wo uns eine behutsame Nachverdichtung mitten im Ortszentrum gelungen ist: In einem Ortskern mit wenig Infrastruktur im öffentlichen Raum war es uns wichtig, das Augenmerk auf eine aktive Nutzung der Erdgeschosse zu legen. Mit der Überhöhe wird Qulumbus zu einem zurückspringenden Gebäude, bietet Kommunikationsorte und Durchwegungsmöglichkeiten. Zugleich nimmt sich der Bau zurück, gliedert sich harmonisch in das Ortsbild ein und wertet ihn auf. Und er beweist, dass beim verdichteten Wohnen nicht unbedingt Stadt rauskommen muss. Es kann auch Dorf oder verdichtetes Dorf bleiben.
Text: Anu-Ujin Walser, Februar 2024